Ich bin zufrieden und gönne mir ein Glas Rotwein mit meinen
Mitbewohnern in der Küche, während ich von meinem Abenteuer erzähle. Im Hintergrund
läuft der Fernseher mit der italienischen Version von "Wer wird Millionär",
was von einem sehr sympathischen, rundlichen Mann moderiert wird, dem vor Rührung die
Tränen in die Augen steigen, als ein bebrillter Student aus Treviso die gewonnene Million
seiner Mama widmet. Ansonsten unterscheidet sich das italienische Fernsehen aber doch
recht stark von dem in Deutschland.
Während bei uns Richterin Barbara Salesch und Richter Alexander Hold um die Gunst des
Zuschauers in der Mittagszeit buhlen, und Arabella und Bärbel Schäfer miteinander
konkurrieren, sieht man in Italien haufenweise Kochsendungen, Familienberatungstalks
und Quizshows, bei denen in jeder Pause die sexy Co-Moderatorin mit weiteren nur sehr
spärlich bekleideten Mädels das Tanzbein schwingt.
Es gibt wohl kaum eine Show, in der das männliche Auge hier nicht auf diese Art und Weise
erfreut wird. Und immer ist die Moderatorin mit von der Partie, wenn es darum geht mit dem
Hintern zu wackeln; ganz
offensichtlich gehört hier neben dem Schönheitswettbewerb eine Tanzprüfung mit zum
Bewerbungsgespräch im Showbusiness. Zumindest für Frauen. So kommt es des Öfteren vor,
dass Frauen mit Modelqualitäten neben kleinen Quasimodos stehen und gemeinsam durch
das Programm führen.
Das Pendant zum "Dschungelcamp" ist in Italien die Sendung "L'isola dei
famosi", "Die Insel der Berühmten", in der Größen aus der Film- und
Fernsehbranche, aber auch aus dem Musikbereich ihr Dasein auf einer verlassenen
Robinson-Crusoe-Insel fristen.
Da der Fernseher, der in Italien außer im Wohn- und Schlafzimmer auch in jeder Küche seinen
obligatorischen Platz hat, den ganzen Tag läuft, muss ich, während ich die unglaublich
leckere Lasagne von Emanuele verdrücke, mitansehen, wie sich zwei Nationalschönheiten, nur
mit einem knappen Tanga bekleidet, am Strand ein Weibercatchen liefern, wie Mann es sich
in seinen kühnsten Träumen nicht ausdenken kann. Da wird an den Haaren gerissen, in die Brust
gekniffen, gekratzt und gebissen, so dass mir der Bissen im Halse stecken bleibt. Offensichtlich
hat eine der beiden hinter dem Rücken der anderen eine Intrige gegen sie gesponnen und das
Ganze ist nun rausgekommen. Insel-Koller, gewürzt mit italienischem Temperament sag ich da
nur...
"Big Brother" heißt in Italien "Grande fratello", überhaupt wird
alles gern übersetzt was man übersetzen kann. Auf der einen Seite ist es zwar herrlich
komisch, wenn Emanuele mir erzählt, er gehe auf das Konzert von "U due" und
damit die Band "U2" meint, auf der anderen Seite finde ich es schön, dass die
Anglisierung hier noch nicht so weit fortgeschritten ist. Vielleicht hängt es damit
zusammen, dass man in Italien leider mehr schlecht als recht Englisch spricht, und es sich
dann sowieso italienisch anhört. Die Englischlektionen, die ich Emanuele gebe, fruchten
in etwa so: "Wotte isse joure name? My name isse Emanuele."
Aber immerhin. Im Gegenzug dafür gibt er mir Kochunterricht.
Wenn mein Freund, den ich aus Deutschland importiert habe, und mit dem ich mir ein 15 qm-
Zimmer zum Spottpreis von 660 Euro teile, die Ganzjahressaison der Freiplätze in Italien
zum Tennisspielen nutzt, und auch die Kampfhähne Antonio und Maria nicht da sind, drehen
Emanuele und ich die Musik auf und tanzen und singen zwischen den Wäscheleinen auf der
Terrasse. Zwischendurch nippen wir am Limoncello und lachen uns kaputt.
Anja Bosch, im Februar 2009
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Erlebnisse in Rom – 6