Kindliche Vorfreude auf ein bedeutendes Ereignis dehnt die Zeit, da die kindliche Ungeduld das Gefühl des Kindes steigert, die Zeit bis zu diesem Ereignis würde nicht schnell genug vergehen. Die Erwartung eines lang ersehnten Geschenkes zu Weihnachten oder zum Geburtstag, kann, wie bereits auf der vorausgehenden Seite beschrieben, diese vom Kind empfundene Zeitdehnung fördern.
Je älter ein Mensch wird, umso schneller scheint für die
Mehrzahl der Menschen die Zeit zu vergehen. Zum Teil liegt diese veränderte
Wahrnehmung von Zeiträumen jedoch lediglich daran, dass der Mensch mit zunehmendem
Alter immer weniger mit kindlicher Ungeduld und voller Vorfreude große Ereignisse
erwartet. Die Ungeduld verwandelte sich mit dem Erwachsenwerden in Geduld und alle
Ereignisse bestehen nur noch aus einer Wiederholung.
Einige Beispiele: Das erste Handy oder Smartphone oder das erste Laptop bzw.
das erste Tablet hat ein jugendlicher Mensch zu diesen oder jenen Weihnachten erhalten,
das erste Moped zum 15. Geburtstag, das erste Auto zum 18. Geburtstag. Eine Reihe,
die sich fortsetzen ließe. Die Vorfreude und Ungeduld war jedes Mal riesig, auch
wenn das erste Gefährt nur aus zweiter oder dritter Hand war. Es bleibt in der Erinnerung
eine Freude, die praktisch durch nichts mehr im späteren Leben zu überbieten geht,
es sei denn durch eine Steigerung. Den ersten Kuss kann jeder Mensch auch nur einmal
im Leben erhalten.
Damit nicht genug, für viele Menschen verlieren Feiertage wie Weihnachten mit zunehmendem
Alter noch aus einem weiteren Grund an Bedeutung. Am schönsten war Weihnachten in
der Kindheit. Später versuchen die Eltern in der Regel ihren Kindern ebenfalls ein
schönes Weihnachtfest zu bescheren. Oftmals gelingt ihnen das auch, doch hier ist
bereits keine ungetrübte Vorfreude mehr gegeben, da viele Vorbereitungen verantwortungsvoll
getroffen werden müssen. Eine Verantwortung, die ein Kind noch nicht kennt und die
zuweilen bei erwachsenen Menschen in Stress ausartet.
Nach einigen Jahren überwiegt zuweilen der Gedanke an den Stress und der Gedanke
"Es ist ja schon wieder Weihnachten" bekommt einen getrübten Beigeschmack,
der die Vorfreude zuweilen verdüstern kann. Irgendwann gehen auch die Kinder ihre
eigenen Wege. Wenn der eine oder andere dann am Ende des Jahres gedanklich feststellt
"Es ist ja schon wieder Weihnachten, wie schnell ist nur das Jahr vergangen",
so kommt es wohl den meisten Mitmenschen so vor, als würde mit jedem Jahr die Zeit
schneller verfliegen. Doch an dem ist es nicht.
Neben den bereits erwähnten Ursachen, gibt es noch weitere psychologische Gründe,
die Zeiträume mit zunehmendem Alter schrumpfen lassen. Mit diesen werden wir uns
auf den nächsten Seiten noch eingehender beschäftigen. Auch Möglichkeiten vorstellen,
wie sich die Wahrnehmung von Zeiträumen wieder dehnen lässt.
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