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Der Lebenskreis: Leben in der Erinnerung

Selbstverwirklichung bis ins hohe Alter?

Die Wahrnehmung der bisherigen Lebenszeit wird in der Erinnerung gebildet. Wie lang die bisherige Lebenszeit bei einem Versinken in der Erinnerung emp­funden wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Ein wesentlicher Faktor dabei ist, wie bereits weiter vorne erwähnt, die Anzahl der bisherigen Lebensjahre. Zur Erinnerung, ein Fest, welches sich zum 50ten oder 60ten Mal wiederholt, verliert gegenüber einem Fest, welches bisher nur einmal erlebt wurde, in der Erinnerung an Bedeutung, da lediglich eine Wiederholung von bereits erlebten Ereignissen.
Ein weiterer Faktor ist zweifellos, ob ein Mensch sein bisheriges Leben als ein erfülltes Leben empfindet oder als ein Leben mit vielen vertanen Zeiträumen und Chancen.

Sein eigenes Leben wird einen Menschen umso mehr als ein erfülltes Leben empfinden und rückblickend betrachten, je mehr positive Ereignisse auf der bisherigen Lebenslinie oder im bisherigen Lebenskreis sich mit den Jahren an­sammelten. Negative Zeiträume und Erlebnisse verkürzen die Erinnerung an damit verbundene Zeiträume, da der Betroffene diese Zeiträume lieber ver­gessen und sich nicht ständig an diese erinnern möchte.

Ein Beispiel: Zwei oder drei Jahre im Gefängnis schrumpfen zu 5 Minuten in der Erinnerung, da es vertane Jahre waren und eine Zeit, an die sich ein Mensch in späteren Jahren oft nicht mehr so gern erinnern möchte und wenn doch, so nur an wenige besondere Erlebnisse oder Eindrücke. Eine Zeit, in der ein anderer Mensch möglicherweise viele positive Erlebnisse sammeln durfte, an die er sich gern erinnert. Doch auch Zeiträume, die durch monotone Routine gekennzeichnet sind, wie ebenfalls bereits weiter vorn erwähnt, verkürzen die Wahrnehmung der bis­herigen Lebenszeit in der Erinnerung.

Nach der Maslowschen Bedürfnispyramide gipfelt ein Leben in der 5. Stufe, der Stufe der Selbstverwirklichung. Nun könnte hieraus leichtfertig die Schluss­folgerung gezogen werden, dass ein Mensch erst dann sein Leben als ein erfülltes Leben in der Erinnerung betrachtet, wenn er sich selbst verwirklicht hat oder auf dem besten Weg zur Selbstverwirklichung ist.
Auf der anderen Seite, eine Mutter, die 3 bis 7 Kinder aufzog und diese auf dem Weg ins Leben begleitete, wird eventuell nie einen Gedanken an irgend einer Art von Selbstverwirklichung gehegt haben und dennoch rückblickend ihr Leben als ein erfülltes Leben betrachten. Die Selbstverwirklichung bestand in diesem Fall in der Betreuung und Erziehung des Nachwuchses, denn nicht alle Menschen strebt es zum Beispiel nach einem Platz auf einem Podest, sondern einigen genügt es bereits eine gute Mutter zu sein.

Ein weiterer Faktor soll an dieser Stelle noch berücksichtigt werden, der eben­falls die Zeitwahrnehmung mit beeinflusst. Ein Kind lebt so gut wie nicht in der Erinnerung, alle Gedanken drehen sich vorrangig um die Gegenwart und Zukunft. Erst mit zunehmendem Alter gleitet der Mensch in seinen Gedanken zusehends in die Erinnerung ab.
Mit jedem Jahr, welches in der Folgezeit vergeht, werden seine Gedanken immer öfters um Ereignisse in der Vergangenheit kreisen und sich weniger mit der Zukunft befassen. Einen Vorgang, den der Einzelne unterbrechen kann, in dem er sich auch im fortgeschrittenen Alter noch neuen Herausforderungen stellt und sich neue Aufgaben und Betätigungsfelder sucht, insofern es die Gesundheit noch zulässt. Nur die Überwindung von inneren Widerständen erfordert im Alter mitunter mehr Kraft als in der Jugend, in der ebenfalls spontane Handlungen noch weniger beschwer­lich erscheinen.

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