Die Art und Weise, mit der die Italiener mit ihrer Geschichte umgehen, leuchtet mir bis heute nicht so recht ein. Auch im Stadtteil EUR, in der Mussolini einst die Weltausstellung 1942 plante, kann man heute noch die komplett intakte Faschismus-Architektur bewundern. Es gibt Führungen durch diese Geisterstadt, in denen ein viereckiges Kolosseum, sowie ein zu klein und zu faschistisch geratener Petersdom aufragen, in denen die Fremdenführerin sich kumpelhaft zu mir Deutschen hinüberbeugt und Sätze wie "Ja und dann haben WIR den Krieg ja leider verloren" von sich gibt.
Um Missverständnissen vorzubeugen möchte ich betonen dass das keinesfalls heißt, dass die Italiener stolz auf Mussolini, und somit immer noch faschistisch eingestellt sind; es ist vielmehr diese "Leben und Leben lassen"- Mentalität, mit der sie großzügig über die Vergangenheit hinwegsehen. Speziell die Römer, so macht es den Eindruck, verwenden ihre Energien lieber auf andere Dinge als auf die Politik.
Als ich mit meinem Mitbewohner einmal über Berlusconi
und seine vielzähligen Manipulationen der Gesetze zur eigenen Wiederwahl sprechen
wollte, sagte dieser nur: "Ach lass ihn doch. Wenn ers nicht macht, machts ein
anderer."...
Natürlich möchte ich hier nicht alle Italiener in einen Topf werfen, es gibt auch
politisch sehr engagierte Kämpfer, die gegen Korruption, Monopolisierung der Macht und
die Mafia kämpfen, aber einfach ist das nicht in diesem Land. Da ist es einfacher, sich
auf die Vielzahl der schönen Dinge Italiens zu konzentrieren.
Hierzu gehört mit Sicherheit ein Tag am Meer vor den Toren der Stadt. Mit einem Zug, der
von der Geschwindigkeit eher einer Straßenbahn ähnelt, fährt man an der Station
"Piramide" los, neben der sich tatsächlich eine Pyramide erhebt, die der
römische Praetor Cestius nach dem Vorbild der Ägypter zu seiner Grabstätte bauen ließ.
Vorbei an Reliquien des römischen Aquädukts und der alten Hafen- und Handelsstadtruine
"Ostia antica", erreicht man nach 40 Minuten die Endstation "Cristoforo
Colombo".
Hier angekommen empfiehlt es sich, noch einen Bus, der an der Küste entlang in Richtung
Süden fährt zu besteigen, da die Abwässer Roms nur wenige Meter entfernt von der
Zugstation ins Meer geleitet werden.
Man weiß in Italien nie wann der Bus kommt. Auf den Schildern steht lediglich die Uhrzeit
wann er das erste Mal und wann das letzte Mal fährt am Tag. Auch die Taktzeiten sind
nicht herauszufinden. So stehen wir also als an der Haltestelle und warten auf den Bus,
der zwischen 5.00 Uhr und 23.00 Uhr kommen müsste. Diesmal müssen wir nicht lange warten.
Der Busfahrer sieht aus wie die südländische Ausgabe von Campino und legt einen
Zahn vor, der Michael Schumacher alle Ehre gemacht hätte. Lässig den Ellbogen aus dem
Fenster gelehnt, blitzen ab und zu die Gläser seiner blauverspiegelten Sonnenbrille im
Rückspiegel auf, während er einhändig den Bus steuert.
Wenn man eine günstige Ganzkörpermassage erleben will, muss man sich nur in einen
römischen Bus setzen. Die Kombination aus ungefederten Fahrzeugen, Schlaglöchern in
den Straßen und den rasanten Geschwindigkeiten bietet einen Schüttel-Service der
Extraklasse. Es empfiehlt sich, den Cappuccino erst hinterher einzunehmen.
Als ich aus dem Fenster sehe muss ich lachen. Zwei hübsche afrikanischstämmige
Frauen sitzen am Straßenrand auf Campingstühlen und warten auf Freier. Noch vor sechs
Jahren fragte ich mich entrüstet warum diese Frauen sich in diesem schönen Land und der
tollen Natur keinen schöneren Platz zum picknicken ausgesucht hatten, als diese
Straßenbiegung..
Als wir aus dem Bus aussteigen durchlaufen wir die wirklich schönen Dünen ehe wir den
Strand erreichen, der, man glaubt es kaum, obwohl nicht weit von der Großstadt entfernt,
relativ feinen weißen Sand zu bieten hat. Auch das Wasser ist hier, wenige Kilometer
weiter südlich einigermaßen klar und lädt bei Außentemperaturen um bis zu 40 ° zu
einer Abkühlung ein.
Außerdem gibt es Schalen mit Wassermelonenstücken oder Kokosschnitzen für jeweils einen
Euro zu kaufen. Wir genießen den Tag und zum Abschluss lasse ich mir noch eine
Prada-Fälschung, O-Ton: "Wolle Brille, billig billig?!" andrehen.
Anja Bosch, im Februar 2009
Seite 1,
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