Die zweite Lektion, die ich vor sechs Jahren gelernt habe, die mich allerdings erst wieder Überwindung kostet, ist heil über die Straße zu kommen. Es gibt zwar Zebrastreifen, aber da bleibt kein Mensch, bzw. kein Auto stehen. Dasselbe gilt für die Ampeln, sie stellen eher grobe Richtlinien, als zu befolgende Gesetze dar. Was also tun?
Um nicht bis in alle
Ewigkeit- obwohl auch das nicht das größte Übel in Rom wäre, die nächste Bar mit
Dolci zum dahinschmelzen gibt es auch auf meiner Straßenseite- an einer Stelle zu
verweilen, holt man tief Luft, macht die Augen ganz fest zu..... und läuft!!
Es kann sein dass quietschende Reifen zu hören sind, doch das lässt keinen Rückschluss
auf die Geschwindigkeit und die damit verbundene von den Autos ausgehende
Gefahr zu, sondern eher darauf, dass man sich den TÜV in Italien auch kaufen kann.
Reaktionsschnell sind sie, die Italiener! Trotz der
verheerenden Verkehrslage und der überdimensional hohen Zahl an Verkehrszeichenmissachtungen
liegt die Unfallrate in Italien unter der Deutschen. Ob das etwas damit zu tun haben
könnte, dass der Deutsche anhält wenns rot ist, obwohl kein Fußgänger zu sehen ist, und
fährt wenns grün ist AUCH WENN Fußgänger zu sehen sind?
Ich weiß es nicht. Jedenfalls funktioniert diese "Einfach loslauf-Methode"
überall in Italien, außerdem ist es eine kleine Mutprobe, nach der man sich fast wie
Jesus fühlt, nachdem er übers Wasser gelaufen ist. Oder wie Dante, nachdem er die
Dimensionen der Hölle durchlaufen hatte.
Jeden Morgen auf dem Weg (oder soll ich es besser Odyssee nennen?) zur Uni falle ich erst
einmal die Treppen hinunter direkt auf den Markt in unserer Straße. Es ist ein Ritual.
Jeden Morgen begrüßt mich der gemütliche, bärtige Mann am Stand vor unserer Haustür
mit einem tösenden: "Ecco la più bella del mercato!" ("Da ist sie ja, die
Schönste des ganzen Marktes!") und schenkt mir eine Erdbeere.
Das ein oder andere Klichee bezueglich der Italiener stimmt wohl, ich bin groß und blond und
somit eine Attraktion. Zur Krönung eines sonnigen Tagesanfanges bekomme ich vom
Blumenmann an der Ecke, – ok, er ist zwar Marokkaner und kein Italier, aber immerhin...–
eine Rose zugesteckt.
Ich fühle mich wie Audrey Hepburn, obwohl ich erst einen Zug und dann die Metro benutzen
muss, ehe ich an der "Piazza del Popolo" in die Tram umsteigen kann, die mich
meinem Ziel, der Sport-Uni etwas näher bringt.
An der sonnigen Piazza angekommen, nutze ich die Gelegenheit und kippe einen Cappuccino in
meiner Lieblingsbar hinunter und schenke der Frau an der Kasse meine Rose, um keinen Neid
unter den heißblütigen Italienerinnen an der Uni zu erregen.
Wenn man auf das Gelände der Sport-Uni im Norden Roms zugeht, auf dem sich auch das
Olympia-Stadion, sowie der Sitz des Nationalen olympischen Komitees befindet, macht das
Gelände erst einmal einen erhabenen Eindruck. Ein Obelisk ziert den Platz vor den beiden
Hauptgebäuden, die Stadien sind von Marmorstatuen umrahmt, und hinter dem beeindruckenden
Komplex erhebt sich sanft der Hügel des "Monte Mario", auf dem Pinienwäldchen
wachsen und den eine goldene, in den Himmel ragende Statue krönt. Bei näherem Hinsehen
liest man auf dem Obelisk aber die Inschrift "Mussolini" und muss erkennen dass
die Statuen um die Stadien nicht griechische Götter, sondern faschistische Ideale des
italienischen Mannes darstellen. Außerdem sind sie nicht aus Marmor sondern aus Gips.
Anja Bosch, im Februar 2009
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