Rom. Ewige Stadt. Modern und
historisch. Vollkommen gerade durch die vielen Ruinen, die der Stadt im Licht
der mediterranen Sonne den Hauch der Ewigkeit verleihen.
Designer-Geschäfte zwischen barocken Säulen und die Selbstverständlichkeit der Römer,
mit der sie ihre Stadt hinnehmen, lassen mir die Brust schwellen wenn ich durch die
kleinen Gassen zwischen dem Pantheon und der Piazza Navona laufe und mir einen Cappuccino
gönne.
Stolz, mich in dieser historischen Eleganz mit
dem Selbstbewusstsein bewegen zu dürfen: Ich gehöre dazu. Zumindest für 2 Semester.
Ich war schon einmal hier, vor sechs Jahren, in der elften Klasse. Als alle anderen
"über den tellerrand-blickenden" Mitschüler ein Highschoolyear in den USA
absolvierten, fragte mich meine Mutter ob ich das nicht auch tun wolle. "USA?
Niemals, was soll ich denn da? Ich will nach Italien!" war meine Antwort. Drei
Monate später fand ich mich am Leonardo-Da-Vinci-Flughafen in Rom wieder. Ohne eine
Menschenseele dort zu kennen, ohne die Stadt je zuvor gesehen zu haben und nur mit
den drei wohl kläglichsten aller italienischen Worte "Pizza, Gelato und Grazie"
ausgestattet, wartete ich auf meine italienische Gastfamilie.
Und ich verspürte in mir die Gewissheit, diese Stadt lieben zu lernen. Ich sollte mich
nicht täuschen.
Heute, sechs Jahre später, weiß ich, dass man an einem Cappuccino nicht nuckelt wie an einer Babyflasche, sondern ihn elegant in einer Minute hinunterstürzt. Immer wieder lache ich über die staunenden Gesichter meiner Besucher: "Wie kann man einen so köstlichen Cappuccino in einer so wundervoll eingerichteten, mit Marmor und Holz ausstaffierten Bar, nur so hinunterschlingen?".
Aber genau diese Dekadenz ist es, die ich so liebe.
Ich kann mir wenn ich will, 10 Cappuccini am Tag leisten, kostet doch einer nur ein
Drittel dessen was man in Deutschland bezahlt. Von der geschmacklichen Potenzierung
brauche ich gar nicht erst anzufangen. Aber das ist es eben. Dieser selbstverständliche
Luxus, diese Lebensqualität in den kleinen Dingen, darum beneide ich die Italiener.
Emanuele, unser sardischer, im Übrigen wahnsinnig unterhaltsame homosexuelle Mitbewohner,
bekommt regelmäßig überdimensionale Pakete von zu Hause. Und drin sind nicht etwa
Badezusätze, die man nie benutzen würde, Bücher, die man nie lesen würde, oder Kekse
und Schokolade die man, wenn man sie sich schon nicht verkneifen kann, dann nur mit
schlechtestem Gewissen isst. Nein, darin befindet sich der wohl köstlichste Käse der
Welt, Pecorino Sardo, selbst eingelegte Artischockenherzen, getrocknete Tomaten, selbst
angebauter Wein und sogar selbst hergestellter Limoncello.
Ein Glück ist Emanuele schlank und will es bleiben, und zudem sehr großzügig...
Ich setze mich also mit einem Glas sardischen Wein auf unsere Dachterrasse, die im
Übrigen von unseren Mitbewohnern nur zum Wäschetrocknen benutzt wird, und blicke auf die
Pinien in der roten Abendsonne, die sich am Rande der Stadt, wie um sie einzurahmen,
erheben.
Abgedroschen, aber wahr: Dolce Vita. Zumindest für mich Deutsche Kartoffel aus dem
Schwabenland, wo sich kein Mensch einfallen lassen würde mehrmals täglich einen
Cappuccino zu trinken. "Scho garet auswärts wos Geld koschded!"
Anja Bosch, im Februar 2009
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Erlebnisse in Rom – Seite 2,
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