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Rom bei Tag und Nacht

Sonntags auf dem Markt Porta Portese

Sonntags ist es zur Tradition für uns geworden auf den Markt "Porta Portese" zu gehen. Kein Film könnte spannender sein. Auf diesem Markt, auf dem es wirklich alles zu kaufen gibt, von Mehrfachsteckern über gefälschte Kleidungs­label bis hin zu Antiquitäten führen wir stundenlang soziologische Studien durch. Hier mischen sich schicke junge Italiener mit "Birkenstock- tragenden, Kameras-um-den-Hals-gehängt- habenden, rotverbrannten Touristen", Zigeu­nern, Marokkanern, und Taschen­dieben.

Als mir vor sechs Jahren mein Walkman geklaut wurde riet mir ein Freund ihn hier zu suchen, und obwohl ich meinen Walkman natürlich nicht wieder gefunden habe, wird hier jede Menge an Diebesgut verscherbelt. Handies, MP3-Player und I-Pods werden einem an jeder Ecke halb flüsternd feilgeboten, außerdem kann man beim Karten- und Hütchenspiel sein Geld loswerden.

Mein Freund stößt mich in die Rippen und zeigt auf eine Zigeunerin vor uns. Sie trägt auf dem rechten Arm ein in Tücher gewickeltes Kind, und hält die linke Hand zum Betteln auf, während sie nah an zwei Touristinnen herantritt. Doch die vermeintlich besetzte Hand, mit der sie das Kind hält ist frei, das Kind ruht in ihrer Armbeuge, und während sie mit der Linken vor den Gesichtern der zwei Mädchen herumfuchtelt, versucht sie mit der Rechten, geschützt durch das Kind, in die Hand­tasche der einen zu greifen. Die merkt das zum Glück und macht sich schimpfend mit ihrer Freundin davon.
Noch eine Weile laufen wir gleichzeitig fasziniert und abgestoßen von dieser Frau im Kopftuch hinterher, und noch ein paar Mal versucht sie es auf dieselbe Methode, doch zumindest während wir ihr zusehen misslingt es ihr jedes Mal. Mein Freund macht sich schon bereit einzugreifen, doch schließlich verschwin­det die Frau und er kann seine Energie darauf verwenden mir bei der Auswahl eines Paar Schuhe zu helfen.
Obwohl Kleider und Schuhe nur ein Bruchteil dessen kosten, was sie in rich­tigen Läden, und vor allem in Deutschland kosten würden, gewöhnt man sich schnell an das Feilschen und schlägt auch schon mal aus, wenn die Jeans 20 Euro kosten soll. Schließlich spielt dabei auch die Ehre eine Rolle. Und wir sind ja schließlich keine dummen Touristen sondern Römer!

Zu Hause angekommen packe ich meine Tüten aus: Espressotassen mit Tier­köpfen als Henkel, eine Ausgabe von Dantes göttlicher Komödie von 1961, einen Rock, der den Stil Roberto Cavallis imitiert und eine DVD.

Der Stadtteil Trastevere von Rom bei Nacht
© Anja Bosch / Trastevere bei Nacht
Trastevere - Stadtteil von Rom

Als wir ein paar Tage später einen Video­abend veranstalten entpuppt sich die DVD als Wolf im Schafspelz. Die Raub­kopie in der Hülle von "Mr. And Mrs. Smith" enthält einen französischen Hard­core-Porno, der unter widrigsten Um­ständen, mit schlech­tester Qualität im Kino live aufgenommen wurde. Gelächter macht sich breit. Wir beschließen noch auszugehen und ein Glas Rotwein in Trastevere zu trinken.

Ich weiß nicht ob mir Rom bei Tag oder bei Nacht besser gefällt. Ins strahlende medi­terrane Sonnenlicht getaucht, in dem die eleganten Römerinnen auch bei 18 ° C noch Pelzmäntel tragen, oder in der orange­farbenen Nachtbeleuchtung, mit den ange­strahlten Brunnen und Plät­zen, die zum Stehen­bleiben, Eisessen oder Feierabend­biertrinken einladen.

Wir schlendern durch die Gassen und das Herz geht mir weit auf unter dem warmen italienischen Sternenhimmel. Der Blumenmann an der Ecke, der 24 h geöffnet hat schenkt mir eine Rose und in der Bar unten bei uns im Haus gönnen wir uns nachts um drei unseren letzten Cappuccino.

Ich falle ins Bett und fühle mich wie Gott in Frankreich.
Ich bin Anja in Rom. Zumindest für 2 Semester.

Anja Bosch, im Februar 2009

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