Wir messen und fühlen die Zeit, gleich ob es sich dabei um
relativ kurze Zeitspannen, wie Sekunden oder Minuten handelt, oder um längere
Zeitspannen, wie Stunden, Tage oder Wochen. Wobei sich das Gefühl bei längeren Zeiträumen
jedoch nur noch auf die Erinnerung an diese Zeiträume stützt. Doch wie entsteht unser
Gefühl für die Zeit?
Bekannt ist, dass jedes Lebewesen, gleich ob Pflanze, Tier oder Mensch, über eine innere
Uhr verfügt, die den biologischen Rhythmus steuert. Diese innere Uhr gibt zwar vor,
wann uns am frühen Nachmittag schläfrig zumute wird, ebenso wann es am Abend allmählich
Zeit wird, sich zur Ruhe zu betten, doch ob uns eine Zeitspanne gefühlt kürzer oder
länger erscheint, fällt mehr in den Bereich der Psychologie. Gänzlich vernachlässigen
möchten wir die innere Uhr bei dieser kleinen Betrachtung dennoch nicht.
Die innere Uhr gibt den biologischen Rhythmus in der belebten
Natur vor und steuert dabei sich zeitlich wiederholende Abläufe. Je nachdem nach welchen
Zeitspannen sich ein Rhythmus wiederholt, erfolgt eine Einteilung.
Infraannuale Rhythmen: Bei infraannualen Rhythmen handelt
es sich um mehrjährige Zyklen. Ob z.B. in den Engerlingen des Maikäfers (Melolontha)
eine innere Uhr im Schnitt vier Jahre lang tickt, ist bisher noch unzureichend erforscht.
Der Maikäfer wird von Magicicada übertroffen, die in einem rund 17-jährigen Zyklus
mehrere Stadien durchläuft.
Zirkaannuale Rhythmen: Zu den zirkaannualen Rhythmen,
die sich jährlich wiederholen, gehören z.B. die Brunft beim Schalenwild oder die
Balz in der Vogelwelt.
Zirkadiane Rhythmen: Bereits recht gut erforscht sind
die zirkadianen Rhythmem (oder auch Circadiane Rhythmen), die sich täglich
wiederholen und auf die nachfolgend noch etwa näher eingegangen wird.
Es gibt noch weitere Unterteilungen und Schreibweisen, die wir hier nicht alle aufführen
möchten.
Ein Bericht über
die innere Uhr und über die Zeitumstellung
Zirkadiane Rhythmen bestimmen zwar nicht, wie wir uns den Tag
einteilen, dennoch teilen wir uns den Tag nach ihnen ein, wann immer sich die
Gelegenheit bietet. Nur leider bietet sich die Gelegenheit zur Einteilung für schulpflichtige
Kinder und berufstätige Arbeitnehmer nur an den Wochenenden, in den Ferien und im Urlaub.
Doch selbst da richten wir uns nach dem sozialen Umfeld aus, so dass z.B. ein unbekümmertes
Ausschlafen selbst dann den Wochenenden oftmals kaum möglich ist, wenn es mehr Lerchen
als Eulen in der häuslichen Umgebung gibt.
Mit Lerchen und Eulen werden in der Chronobiologie zwei gegensätzliche Schlaftypen
(Chronotypen) bezeichnet, wobei die Lerchen früher und leichter aus den Federn
kommen als die Eulen, letztere dafür abends länger durchhalten und auch leichter die
Nacht zum Tag machen können. Der Chronotyp ist sowohl genetisch unterschiedlich ausgeprägt,
als auch vom Alter und Geschlecht abhängig und im Laufe eines menschlichen Lebens Änderungen
unterworfen. Allgemein besagen Statistiken, dass Eulen anteilmäßig eher unter Jugendlichen
anzutreffen sind, Kleinkinder hingegen mehrheitlich zu den Lerchen gehören.
Doch gleich zu welchem Chronotyp der Einzelne gehört, vor dem Erwachen sorgt seine
innere Uhr dafür, dass Körper, Herz und Kreislauf wieder Fahrt aufnehmen, z.B. in dem
zusätzliche Hormone ausgeschüttet werden und sich die über Nacht leicht abgesenkte
Körpertemperatur wieder erhöht. Der Höhepunkt der körperlichen und geistigen Fitness
folgt jedoch erst Stunden später und am frühen Nachmittag noch einmal einen Durchhänger.
So gesehen sorgt unsere innere Uhr dafür, dass wir fühlen, wann es richtige Zeit zum
Aufstehen, zum Lernen, zum Arbeiten oder für ein Nickerchen ist. Nur ein Gefühl für
Zeiträume vermittelt sie uns nicht, zumindest nicht direkt. Ein wenig schon, denn vermutlich
kennt jedes Kind das Gefühl, wenn die innere Uhr die mittägliche Mahlzeit bereits einläutete,
nur die Zeit bis zum Klappern des Geschirrs langsamer als üblich zu vergehen scheint.
Betrachten wir an dieser Stelle die Zeiteinheiten und Zeiträume,
die wir kennen und die wir schätzen oder mehr oder weniger bewusst fühlen, so können
wir kleinste Zeiteinheiten im Bereich von Millisekunden überspringen und kommen mit
Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate und Jahre aus. Eine natürliche Grundlage
davon besitzen jedoch nur Tageszeiten, Tage, Jahreszeiten und Jahre. Bei den restlichen
handelt es sich lediglich um willkürliche Einteilungen des Menschen der Neuzeit.
Wobei im Bereich kürzerer Zeiteinheiten körpereigene Frequenzen übersprungen wurden,
denn ob unser Herz rast oder nicht, können wir sicherlich ebenfalls fühlen, nur wir
können nicht direkt den zeitlichen Abstand zwischen zwei Herzschlägen schätzen. Zumindest
nicht zuverlässig ohne Uhr, mit der wir den Pulsschlag vergleichen, nur dann wäre es
bereits wieder eine Messung und keine Schätzung mehr. Wer häufig seinen Puls fühlt,
der hat in dieser Beziehung bessere Karten, denn auch schätzen lässt sich trainieren.
Doch welche Zeiträume lassen sich überhaupt empfinden, wahrnehmen oder schätzen?
Ein Blitz rast in etwa 0,1 bis 0,2 Sekunden zur Erde. Diesen nehmen wir nur deshalb
als Blitz und nicht als unterschiedliche Funken aus Vor- und Hauptentladung wahr,
weil wir den Weg der Funken nicht in einer Abfolge von einzelnen Bildern erfassen,
auflösen und wahrnehmen können. Kaum haben wir ihn wahrgenommen, erschrecken wir
uns vielleicht, doch in diesem Augenblick ist der Blitz bereits wieder Vergangenheit.
Doch können wir nur die Gegenwart wahrnehmen, die zwischen Vergangenheit und Zukunft
liegt?
Nein, außer der Gegenwart können wir auch noch schätzen, wie lange ein Ereignis zurück
liegt und wieviel Zeit noch bis zu einem zukünftigen Ereignis vergehen wird. Bei zurückliegenden
Ereignissen verschätzen wir uns zwar häufig, dabei zum Teil um Jahre, dennoch können
wir in etwa die Reihenfolge aus der Erinnerung abrufen. Und das können wir nur, weil
wir dieses zeitliche Ereignis wahrgenommen und gespeichert haben. Gehen unsere Erinnerungen
hingegen verloren, z.B. durch Beeinträchtigung des Kurz- und/oder Langzeitgedächtnisses
in Folge von Demenz, werden wir auch ein Problem mit unserer subjektiven Wahrnehmung
der Zeit bekommen.
Es sind nicht die Jahre, die wir aus der Erinnerung abrufen, es sind die Ereignisse
und Erlebnisse, die wir als Erinnerungen speicherten. Stellen wir uns nun eine Schublade
oder besser einen Schrank mit Erlebnissen vor, können wir diese nicht alle auf einmal
betrachten. Wir müssen diese ordnen, in dem wir diese auf einer sinnbildlichen Linie
auffädeln, wobei diese Linie in der grafischen Darstellung einem Zeitpfeil entsprechen
könnte. Beispiel: Zeitpfeil
Bei diesem unbewussten Auffädeln wird uns ein recht ungenaues Gefühl vermittelt, wie
weit ein Ereignis in etwa zurückliegt. In aller Regelmäßigkeit wird unser Gefühl uns
bei länger zurückliegenden Ereignissen um Jahre betrügen. Ein weniger trügerisches
Zeitgefühl entsteht erst durch eine Verknüpfung mit dem Alter, in dem wir uns vermeintlich
zum Zeitpunkt eines Ereignisses oder auch während eines Zeitraumes befanden.
So könnten wir als Rentner zum Beispiel unser erstes Fahrrad, Motorrad oder Auto noch
in aller Deutlichkeit vor uns sehen, als hätte es noch vor einem Monat in der Einfahrt
geparkt. Im selben Augenblick erinnern wir uns aber auch daran, in welchem Alter wir
uns befanden. Wir rufen somit unbewusst eine Art von neuronaler Timeline auf oder
fragen diese ab. Zumindest häufig unbewusst, gelegentlich auch bewusst, in dem
sich eine Frage bildet, die in etwa lauten könnte:
"Wann war das eigentlich?"
"Wie alt war ich da?"
Ob bewusst oder unbewusst ist gleich, denn erst durch eine Verknüpfung von beiden Erinnerungen
entsteht das zeitliche Gefühl, dass dieser Zeitraum schon sehr, sehr lange zurückliegen
muss.
Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass unsere Erinnerungen an unser bisheriges
Leben umso mehr an zeitlicher Fülle gewinnen werden, je mehr einmalige Erlebnisse
wir in unserem Leben speichern konnten, wobei der interessierte Leser in diesem Zusammenhang
die Ausführungen unter Lebenskreis
beachten sollte.
Wenn wir nicht gerade in Erinnerungen schwelgen, so verfügen
wir dennoch über ein Gefühl, mit dem wir die Zeit wahrnehmen können und welche neuronalen
Vorgänge dabei wirken, ist Gegenstand diverser Studien. Da diese Forschungen noch
in den Kinderschuhen stecken, lässt es sich einfacher philosophisch ausdrücken: Wir
leben in der Gegenwart und bereiten uns auf die Zukunft vor.
Es sei angemerkt, dieses Zeitgefühl ist nicht nur Menschen eigenen, sondern mehr oder
weniger ebenfalls im Tierreich anzutreffen. Ob aber nun z.B. die Gewöhnung an Fütterungszeiten
einem echten Zeitgefühl entspricht oder mehr in den Bereich der Chronobiologie gehört,
steht auf einem anderen Blatt. Bleiben wir beim Menschen, so kann dieser ohne einen
Blick auf eine Uhr zu werfen, zumindest auch nicht gefühlsmäßig feststellen, ob es in
10 oder 20 Minuten Essen gibt, selbst wenn die Pausenzeiten in einem Unternehmen stets
pünktlich eingehalten wurden.
Doch können wir allgemein den Fluss der Zeit fühlen?
Ja, zumindest bei kleinen Zeitspannen, denn zu fühlen, ob weniger als eine Minute oder
mehr als eine ganze Stunde verstrichen ist, das sollte den meisten Menschen im täglichen
Leben recht gut gelingen. Nur präzise wird unsere gefühlte Zeit nicht sein und wenn,
so dürfte die Ungenauigkeit sich mit jeder Minute vergrößern.
Wie bildet sich nun dieses Gefühl?
Ein spezielles Sinnesorgan, welches den Fluss der Zeit erfassen könnte, wurde bisher
nicht gefunden. Gleiten wir ab in die evolutionäre Entwicklung, bestand anfänglich
nur Bedarf für eine Regelung des biologischen Rhythmus, jedoch kein Bedarf für eine
Wahrnehmung der Zeit.
Eine These könnte nun lauten, dieser Bedarf der Wahrnehmung der Zeit entstand erst
im Laufe der Evolution durch das gemeinschaftliche Jagen im Rudel, als alle Sinnesorgane
bereits seit Jahrmillionen ausgeprägt waren. Ein Rudel, das die gemeinschaftliche
Jagd nicht nur räumlich koordinieren, sondern ebenfalls zeitlich bestmöglich synchronisieren
konnte, dürfte im Vorteil gewesen sein.
Und womit fühlt ein Mensch die Zeit?
Ein spezielles Sinnesorgan zur Wahrnehmung der Zeit existiert zwar nicht, bzw. falls
es existieren sollte, so konnte es noch nicht nachgewiesen werden, doch dafür verfügt
nicht nur der menschliche Körper über Schrittmacher, die ähnlich einem Oszillator
eine Frequenz vorgeben. Unter den Verdächtigen sehr weit oben steht dabei das Herz,
weil dessen Frequenz sich für einen Zeitvergleich eignen könnte, zumindest für kürzere
Zeitspannen unter einer Minute.
Als Zentrum für die Auswertung und zur Synchronisation unserer Zeitwahrnehmung
wurden die Inselrinde und die unter der Rinde liegenden Basalganglien mit in den
Kreis der Verdächtigen aufgenommen. Eine bestätigende Gewissheit, dass es sich
so und nicht anders verhält, können jedoch nur weitere Studien ergeben.
Abschließend sei erwähnt, welche psychologischen Einflüsse die Wahrnehmung der Zeit
beeinflussen können, wurde bereits unter Lebenskreis abgehandelt. Siehe hierzu eine
erste Zusammenfassung über das
Zeitgefühl und die Wahrnehmung der Zeit.
Weitere Themen, Fragen und Antworten
Kann ein Mensch sein Zeitgefühl verlieren?
Ja, in gewissen Situationen oder durch begünstigende Erkrankungen kann ein Mensch sein
Zeitgefühl vorübergehend oder dauerhaft verlieren.
[mehr ...]
Vergeht die Zeit mit jedem Lebensjahr etwas schneller?
Ja und Nein, wobei sich das "Ja" nur auf die subjektive Wahrnehmung der Zeit bezieht.
[mehr ...]