Auf der Strasse blicke ich etwas später zum ersten mal bei
Tageslicht in ecuadorianische Gesichter, die, wie ich später erfahre, von Region
zu Region mitunter sehr unterschiedlich ausfallen.[1]
Neugierig, noch etwas befremdet und schüchtern beobachte ich die leicht asiatisch
anmutende, dunkelhäutige Bevölkerung, die Krebse an Schnüren schleppt und Pick-ups
mit frischen Marktwaren bepackt, bevor ich meine erste ecuatorianische Mahlzeit
zu mir nehme: Reis mit Bohnen.
Als die Imbissbesitzerin die Getränke bringt werde ich, ebenfalls zum ersten Mal, mit dem für Südamerika so typischen Diminuitiv konfrontiert: Es gibt einen "cafecíto", ein "Käffchen" (was umgangssprachlich ja noch in Ordnung geht) und ein "aguíta", ein "Wässerchen" zum "arrozíto", dem "Reischen" (!) , was, wie ich finde, an Nahrungsmittelverniedlichung schon ein bisschen zu weit geht....
© Fotos: Anja Bosch / Krebse an Schnüren
Frisch von der Küste
Der "cafecíto" ist übrigens Nescafé.
"Richtiger" Kaffe guter Qualität, eines der Hauptexportgüter Ecuadors
(!), ist, wie ich später feststelle, hier kaum zu bekommen und zudem fast unbezahlbar,
dasselbe gilt für Kakao.
Während Ecuador im Ausland als wichtigster Produzent hochwertiger Kakaoqualitäten
gilt, werden beide Produkte beinahe ausschließlich exportiert, während die einheimische
Bevölkerung die minderwertigen Reste verwertet.
In einem Bus, der mit seinen bunt-Gardinen-verhangenen Fenstern und diversen, über dem Fahrersitz von der Decke baumelnden Glücksbringern, Heiligen und Accessoires eher an einen Zirkuswagen erinnert, geht es schließlich ins Amazonasgebiet Ecuadors. Während aus den Boxen lautstark spanische Schlager, Merengues, Bachatas und Cumbias dröhnen, werde ich über eine doch recht abenteuerliche Strasse, mit doch recht vielen Schlaglöchern, Abgründen und definitiv zu vielen Holzkreuzen am Wegesrand zu meiner nächsten Zwischenstation, Arosemena Tola, kutschiert, oder besser katapultiert. Vom Hochgebirge der Anden, bedeckt von niedrigen Gras- und Mooslandschaften, geht es in einer 5-stuendigen Fahrt bergab in den Dschungel mit seinen ausgewachsenen Aufsetzgewächsen.
Man erkennt nicht wie hoch die Pflanzen sind, bzw.
wo der Boden aufhört und die Pflanzen beginnen, so dicht ist der Regenwald. Mit offenem
Mund starre ich aus dem Fenster, hinter welchem die irren Landschaften und vereinzelt
deren Menschen, zunächst Berg- und später Dschungelindigenas, an mir vorbeirauschen.
Die folgende Nacht verbringe ich provisorisch über Kakerlaken, unter Spinnen und
inmitten allen möglichen Fliegengetiers, doch eingesprüht mit einem halben Liter
Anti-Moskito-Spray, pflücke ich mir relaxt die Kollegen, die mein Gesicht als Landebahn
benutzen wollen, aus dem Gesicht und werfe sie wieder Richtung "Fenster",
das aus Maschendraht besteht.
Der Morgen ist atemberaubend. Ein richtiges Dorf, geteert, gepflastert, verbetont,
inmitten eines Regenwaldes, aus dem es zirpt, zwitschert und aus dem es in den immer
wärmer werdenden Morgen dampft. Nebelschwaden hängen überall in dem Grün, das 360
Grad um mich herum zu sehen ist, soweit das Auge reicht. In der Ferne verschwinden
die Wipfel der Berge mitsamt den Vulkanen in den Wolken.
Anja Bosch, im März 2009 – Erlebnisse in Ecuador – Kapitel I
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Fußnoten, Anmerkungen und Kommentare:
1 von A. Bosch
Die wichtigsten Exportgüter Ecuadors sind: Erdöl, Bananen, Meeresprodukte, Kaffe, Kakao
und Schnittblumen.