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Der 448. Geburtstag von Tena

Erlebnisse in Ecuador

Tena, meine neue Heimatstadt für die kommenden 8 Monate, ist mit seinen 17 000 Einwohnern (davon knapp 75% indigener Herkunft) eine Nummer größer und dreckiger als Arosemena Tola. Heiße, von Abgasen durchtränkte Luft schlägt mir auf der Hauptstraße entgegen, die sich, gesäumt von Tante-Emma-Lädchen wie aus den deutschen 50ern, durch die ganze Stadt inklusive des Flusses schlängelt. In diesem plantschen mittags die kleinen unterhosigen Indio-Kinder, die sich morgens nett und adrett, in Schuluniform an meinen Hals hängen und meine blondiert herauswachsenden Haare befühlen. "Como una muñeca!" rufen sie, waehrend ich noch kein Wort verstehe und erst zu Hause mit Hilfe meines Wörterbuches erfahre, dass ich Puppenhaar besitze.

Staubig ist es, wenn es nicht gerade Hunde und Katzen regnet, was es alle paar Stunden tut. Apropos Hunde, die fallen hier wohl wirklich vom Himmel und haben es binnen kürzester Zeit geschafft, mich mit ihren nächtlichen Straßen­kämpfen und -meutereien zum erklärten Hundefeind zu machen. Auch die unzähligen Hähne, die oft schon um zwei, drei Uhr nachts zu schreien beginnen, fördern nicht gerade meine Tierliebe, für die ich bisher als überzeugte Vege­tarierin immer weit und breit bekannt war.

Für Vegetarier hat man hier übrigens wenig Verständnis und es bieten sich für dieselbigen ziemlich genau folgende Möglichkeiten an: Reis mit Bohnen, Reis mit Linsen, Reis mit Yucca, oder Reis mit Kochbananen. Im Glücksfall gibt es einen "Salat": Klein geschnittene Zwiebeln mit Tomaten (in eben dieser Reihen­folge), angemacht mit Salz und Zitronensaft.

Cuy / Meerschweinchen am Spieß
© Anja Bosch / Cuy, Meerschweinchen am Spieß

Allerdings kommt mir die Ausrede, kein Fleisch zu essen, in manchen Momenten doch gar nicht so ungelegen. Etwa, wenn ich nach Hause komme und die Familienan­gehörigen meiner Gastgeberin seelenruhig aus einem Schildkrö­ten­panzer deren fleischliche Be­standteile löffeln und mich dazu einladen mitzuessen. Oder wenn mich Be­kannte während eines Festi­vals in der Stadt dazu über­reden wollen, ein Cuy mit ihnen zu teilen, ein am Spieß gegrilltes über­dimen­sionales Meer­schweinchen...

In derartige Festlichkeiten werde ich, gerade mal ein paar Tage angekommen, auch schon hineingeworfen, als die Stadt Tena in bescheidenen 2-wöchigen Festlichkeiten (das übrigens jedes Jahr) ihren 448. Geburtstag feiert. Umzüge und Märsche durch die Strassen, Konzerte, Taenze und Sportwettbewerbe, bereichert durch traditionelle Speisen, die überall an Straßenständen zu erwerben sind, bekomme ich einen ersten Eindruck der Gegend und seiner Bewohner. Diese sind zwar besonders in diesem Teil Ecuadors relativ arm, scheuen aber augenscheinlich weder Kosten noch Mühen, um sich und ihre unzähligen Kinder würde- und prachtvoll für die Tanzumzüge auszustatten. Von traditionellen Indianertrachten, bestehend aus Perlen, Palmrinde und -blättern, über farbenprächtige Folklore­trachten aus den Anden mit weiten Röcken und bestickten Blusen, für Männer felllederner Beinbehang und rote Ponchos, reicht die Bandbreite bis hin zu Salsa-adäquaten Glitzerkleidchen. Auch afroecuadorianische, kunstvoll aufgeschlungenen Kopftücher sind hie und da zu sehen.

Anja Bosch, im März 2009 – Erlebnisse in Ecuador – Kapitel I

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Fußnoten, Anmerkungen und Kommentare:

 

 

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